In der Pflege ist es schwierig, das Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz zu finden. Wie Sie den Spagat zwischen Nähe und Distanz zu einer Pflegeperson am besten hinbekommen erfahren Sie hier. Dazu haben wir viele hilfreiche Tipps.
Definition von Nähe und Distanz in der Pflege
Die Nähe – Distanz beschreibt ein emotionales, räumliches und soziales Verhältnis zwischen Menschen. Dabei vermittelt die emotionale Nähe Zugehörigkeit, Vertrauen, Sympathie, Akzeptanz und Mitgefühl. Wohingegen die Distanz das genaue Gegenteil definiert. Sie ist eine Möglichkeit, sich vor physischen und psychischen Verletzungen zu schützen.
Distanz und Nähe können zu Verletzungen führen, wenn unterschiedliche Bedürfnisse und Gefühle vorhanden sind. Nähe – Distanz wird immer wieder neu definiert. Je nach Beziehung, Rolle, Aufgabe, Bereich, Ort, Zeit und der eigenen Befindlichkeit. Somit hat es auch immer eine persönliche Bewertung. Eine Grenzüberschreitung entsteht dann, wenn das Nähe- oder das Distanzempfinden des Gegenübers nicht respektiert wird. Eine Grenzüberschreitung kann absichtlich oder auch unabsichtlich geschehen.
Die Distanzzonen
Die Distanzzonen sind eine faszinierende Facette der zwischenmenschlichen Kommunikation und bezeichnen den Raum, den Menschen um sich herum als persönlichen Bereich wahrnehmen. Edward T. Hall, ein Anthropologe, prägte den Begriff und unterteilte die Distanzzonen in vier Hauptkategorien: die intime Zone, die persönliche Zone, die soziale Zone und die öffentliche Zone.
Die intime Zone bis zirka 50 cm: Sie ist Menschen vorbehalten, die uns sehr nahestehen, dem Partner oder der Partnerin. Und auch das nicht jederzeit.
Die persönliche Zone von 50 cm bis 1,5 m: Darin bewegen wir uns in Alltagsgesprächen, am Arbeitsplatz, bei Begrüssungen. Die persönliche Zone ist typisch für Freunde und Bekannte. Es ist die Armlängendistanz.
Die soziale Zone von 1.5 bis 3,5 m: Sie ist der Abstand, in dem wir uns mit fremden Personen unterhalten, an Sitzungen oder auch mit indirekten Vorgesetzten.
Die öffentliche Zone ab 3,5 m: In dieser Zone befinden Sie sich, wenn Sie in einem grossen Raum sind und zum Beispiel einem Vortrag folgen.
Die Beachtung dieser Distanzzonen ist entscheidend für ein angenehmes Miteinander. Individuelle Präferenzen können variieren, daher ist es wichtig, sich bewusst zu sein und respektvoll mit diesem unsichtbaren Raum umzugehen, um erfolgreiche und komfortable soziale Interaktionen zu gewährleisten.
Eine Pflegeperson dringt unweigerlich und permanent in die Intimzone des Pflegebedürftigen ein. Das Eindringen in die intime Zone ist eine Grenzüberschreitung. Und dafür braucht es immer wieder eine Art Bewilligung.
Warum ist Nähe und Distanz in der ambulanten Pflege wichtig?
Eine Studie der University of Queensland hat gezeigt: Paare mit einer ausgeglichenen Balance zwischen Nähe und Distanz haben weniger Streitthemen und werden dauerhaft glücklich. Und so ist es auch in der Pflege.
In der ambulanten Pflege spielt die richtige Balance zwischen Nähe und Distanz eine entscheidende Rolle, um eine qualitativ hochwertige Versorgung und Unterstützung für Patienten sicherzustellen. Nähe ist essentiell, um eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, individuelle Bedürfnisse zu verstehen und emotionale Unterstützung zu bieten. Ein einfühlsamer Umgang und persönliche Bindungen fördern das Wohlbefinden der Patienten.
Gleichzeitig ist die Wahrung einer angemessenen Distanz wichtig, um die Autonomie und Privatsphäre der Pflegebedürftigen zu respektieren. Professionelle Distanz ermöglicht es den Pflegekräften, objektiv zu bleiben, klare Grenzen zu setzen und eine professionelle Perspektive aufrechtzuerhalten. Dies gewährleistet, dass die Pflege ganzheitlich und bedürfnisorientiert bleibt, ohne die Selbstständigkeit der Patienten zu beeinträchtigen.
Wie lässt sich die richtige Balance zwischen Nähe und Distanz finden?
Auch die Pflege eines geliebten Menschen erfordert eine delikate Balance zwischen Nähe und Distanz. Hier sind einige Tipps, um diese herausfordernde Aufgabe zu meistern:
Offene Kommunikation
Sprechen Sie offen über die Bedürfnisse und Grenzen sowohl des Pflegebedürftigen als auch der Pflegenden. Klare Kommunikation schafft Verständnis und Vertrauen.
Respektieren persönlicher Grenzen
Anerkennen Sie an, dass sowohl Pflegebedürftige als auch Pflegende persönliche Grenzen haben. Respektieren Sie die Privatsphäre und den Raum des anderen, um eine gesunde Balance zu gewährleisten.
Etablieren von Routinen
Strukturierte Routinen schaffen Sicherheit und können die Unsicherheit minimieren. Vereinbaren Sie gemeinsam Aktivitäten und Ruhezeiten, um eine ausgewogene Pflegeumgebung zu schaffen.
Förderung der Unabhängigkeit
Ermutigen Sie die Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen, soweit dies möglich ist. Das Stärken der Selbstständigkeit schafft nicht nur Autonomie, sondern verringert auch die Abhängigkeit von der ständigen Anwesenheit des Pflegenden.
Pausen und Auszeiten
Pflegende sollten sich bewusst Zeit für sich selbst nehmen. Pausen sind kein Zeichen von Vernachlässigung, sondern ermöglichen die nötige Regeneration und Erhaltung der eigenen physischen und emotionalen Gesundheit.
Professionelle Hilfe in Betracht ziehen
Es ist keine Schwäche, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Pflegedienste oder Unterstützung von Freiwilligen können dazu beitragen, die Last zu teilen und die Balance zwischen Nähe und Distanz aufrechtzuerhalten.
Verhalten Sie sich professionell
Die Aufgabe einer Pflegeperson besteht nicht nur darin, die betreute Person medizinisch zu versorgen. Sie muss auch auf deren psychische und soziale Bedürfnisse eingehen. Dazu stimmt sie ihre Pflege individuell auf die jeweilige Person ab. Wichtig: Sie darf sich nicht persönlich auf die Probleme der betreuten Person einlassen, die nicht deren Betreuung betreffen, sondern muss die Betreuung dem Umfeld und dem Zustand der betreuten Person anpassen.
Vorsicht bei körperlichem Kontakt
Die Hand halten, über den Arm streicheln oder in den Arm nehmen. All das sind körperliche Kontakte, die nicht jeder Pflegekunden gerne hat. Sicher gibt es immer wieder Kunden, die solche Kontakte als sehr tröstlich und hilfreich empfinden, aber jeder Mensch ist anders. Um unangenehme Situationen für sich und Ihren Gepflegten zu vermeiden, ist es daher besser, dass Sie Ihren Pflegekunden im Vorfeld fragen: „Ist es Ihnen recht, wenn ich Ihnen die Hand halte?“
Achten Sie auf nonverbale Signale
Nicht immer ist es möglich, Ihre Pflegeperson im Vorfeld zu fragen, ob er eine Berührung als angenehm empfindet oder nicht. Achten Sie daher besonders bei der Arbeit mit demenzerkrankten Menschen und mit Menschen in der Sterbephase auf alle nonverbalen Signale. Als Zeichen für Unwohlsein kann sich ein Stirnrunzeln, ein kurzes Zucken oder ein immer schneller werdender Atem zeigen. Dann sollten Sie Ihre Berührungen unterlassen. Genauso können Sie aber auch an einem immer ruhiger werdenden Atem oder einem sich entspannenden Gesichtsausdruck erkennen, dass Ihr Tun als angenehm empfunden wird.
Die Grenze zwischen Nähe und Distanz in der Pflege erfordert Sensibilität, Kommunikation und Respekt. Um alte, kranke und beeinträchtigte Menschen zu pflegen, müssen Sie bereit sein, ihnen körperlich nahe zu kommen und auch Nähe aufzubauen. Kranke und pflegebedürftige Menschen müssen wiederum die körperliche Nähe von fremden Menschen zulassen und auch mit der emotionalen Nähe und Distanz zurechtkommen, die Ihnen von diesen geboten wird. Es ist für beide Seiten nicht einfach und muss bei jeder Begegnung immer wieder aufs Neue in Einklage gebracht werden.