Der Vater möchte unbedingt weiter Auto fahren, obwohl er eine Gefahr auf der Strasse ist. Die Mutter ist wackelig auf den Beinen, doch sie weigert sich, einen Rollator zu nutzen. Kommt Ihnen ein solches Verhalten bekannt vor? Im Volksmund wird dieses als Altersstarrsinn bezeichnet. Dabei ist es eine natürliche Reaktion des Körpers auf altersbedingte Veränderungen. Wie Angehörige am besten damit umgehen, erfahren Sie in diesem Ratgeber.
Das Wichtigste in Kürze
Definition: Wird ein älterer Mensch schwierig, wird dies oft als Altersstarrsinn bezeichnet. Dieser äussert sich durch ein stures oder aggressives Verhalten. Hilfsangebote werden abgelehnt, häufig führen schon kleinste Veränderungen zu verbalen Ausbrüchen oder Gehässigkeiten.
Ursachen: Viele Menschen sind frustriert, wenn sie im Alter körperlich und geistig abbauen. Es fällt ihnen schwer, Hilfe anzunehmen, und sie fühlen sich durch Ratschläge bevormundet. Besonders, wenn diese von nahen Angehörigen kommen.
Umgang: Ob es um die Anschaffung eines Hilfsmittels oder um die Abgabe des Führerausweises geht: Angehörige sollten behutsam vorgehen, wenn sie mit betagten Menschen über solche Themen sprechen. Dieser Ratgeber enthält hilfreiche Tipps.
Warum verstehen meine Eltern mich nicht?
Viele erwachsene Kinder möchten, dass ihre Eltern so lange wie möglich gesund bleiben und zu Hause leben können. Das ist auch möglich, allerdings muss man sich früh genug darum kümmern. Dazu sind die meisten Kinder bereit, und sie haben sich auch schon ausführlich über Unterstützungsangebote und Hilfsmittel informiert.
Auch sehen sie, dass manche Verhaltensweisen ihrer Eltern ein Gesundheitsrisiko darstellen – etwa wenn der 90-jährige Vater noch selbst Auto fährt oder die Mutter trotz Gleichgewichtsproblemen einen Rollator oder eine Notrufuhr ablehnt.
Doch wenn die Kinder mit ihren Eltern darüber sprechen, erfahren sie eine ablehnende Haltung. „Ich weiss selbst, was für mich richtig ist“, bekommen sie oft zu hören. Die Kinder versuchen, die Eltern mit Fakten und guten Argumenten vom Gegenteil zu überzeugen, doch die Seniorin oder der Senior bleibt stur. Manche älteren Menschen reagieren sogar richtig aggressiv und beleidigen die Angehörigen.
Was also tun? Aufgeben oder weiterhin Druck ausüben? Und was sind die Gründe für dieses Verhalten, das als Altersstarrsinn bezeichnet wird? Die folgenden Zeilen geben Aufschluss.
Warum eine Notrufuhr für Senioren sinnvoll sein kann
Eine Notrufuhr ist neben dem Telefon bzw. Handy eine zusätzliche Möglichkeit, sich dann verständlich zu machen, wenn man in eine Situation kommt, in der Sie auf fremde Hilfe angewiesen sind. Wenn der Gang zum Telefon nicht möglich ist oder die Bedienung des Telefons bzw. Handys schwerfällt, dann müssen Sie nur einen Knopf drücken. Und schon können Sie jederzeit eine andere Person oder die Notrufzentrale erreichen, damit die benötigte Hilfe organisiert wird.
Definition: Wie erkennt man Altersstarrsinn?
Wird ein älterer Mensch schwierig, wird dies oft als Altersstarrsinn bezeichnet. Dieser äussert sich durch ein stures oder aggressives Verhalten. Ratschläge und Hilfsangebote werden abgelehnt, häufig führen schon kleinste Veränderungen zu verbalen Ausbrüchen oder Gehässigkeiten.
Der Altersstarrsinn ist aber keine medizinische Diagnose und muss daher auch nicht wie eine Krankheit behandelt werden. Es handelt sich um eine Eigenschaft oder Reaktion auf altersbedingte Veränderungen.
Der Begriff Starrsinn ist negativ konnotiert. Solche Menschen werden oft als engstirnige Sturköpfe angesehen. Dabei könnte man die ganze Sache auch positiv betrachten. Denn wer als starrsinnig gilt, vertritt auch seinen Standpunkt und steht für seine Bedürfnisse ein.
Altersstarrsinn: Das sind die Ursachen
Die meisten Menschen sind es gewohnt, ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben zu führen. Im Alter nimmt jedoch diese Unabhängigkeit aufgrund von körperlichen oder geistigen Gebrechen ab. Es funktioniert nicht mehr alles so reibungslos und schnell wie früher. Viele ältere Menschen sind auch auf Hilfe oder Hilfsmittel angewiesen.
Um das 75. Lebensjahr treten häufig die altersbedingten Einschränkungen geballt und viel zu schnell ein, um sich darauf einzustellen. Die Akzeptanz ist ein mühseliger und langwieriger Prozess, der oft mit Trauer verbunden ist. Vielen Betroffenen fällt es schwer, um Unterstützung zu bitten oder diese anzunehmen. Denn es handelt sich um eine Generation, die es gewohnt ist, durchzubeissen. Es besteht oft auch der Wunsch, den Schein in unserer Leistungsgesellschaft zu wahren. Viele Menschen fühlen sich weniger wertvoll, wenn sie nicht mehr dem Idealbild entsprechen.
Die Frustration verschlimmert sich oft, wenn die Betroffenen das Gefühl haben, bevormundet zu werden. Sie reagieren dann wütend oder stur – und es wird immer schwieriger, die Situation zu entschärfen.
Altersstarrsinn kann auch bei Krankheiten oder Konflikten auftreten
Manche negativen Gefühle werden beim Älterwerden stärker. So können ständige Schmerzen, langanhaltende Konflikte, Trauer, finanzielle Sorgen, Langeweile oder verpasste Chancen zur Wut führen.
Manchmal reichen schon bestimmte Kommentare oder ein genervter Unterton, um Konflikte eskalieren zu lassen. Auch die eigene Hilflosigkeit bei Demenz kann zu einem aggressiven Verhalten führen. Bei der Demenz handelt es sich aber um eine Definition für über 100 verschiedene Krankheiten, welche die Funktion des Gehirns beeinträchtigen.
Was mache ich, wenn Eltern beratungsresistent sind?
Viele Kinder erkennen, dass ihre Eltern langsam mehr Hilfe benötigen. Sie sehen, wie sie manche Dinge, die früher selbstverständlich waren, nicht mehr schaffen oder wie schwer es für sie geworden ist, den Alltag eigenständig zu meistern.
Dazu kommt die Sorge, dass den Eltern etwas passieren könnte. Etwa, dass sie nachts nach einem Sturz hilflos auf dem Boden liegen oder beim Autofahren verunfallen. Doch mit diesen Ängsten prallen Kinder oft gegen eine Wand. Viele setzen dies mit Altersstarrsinn gleich. Andere behaupten, ihre Eltern wären beratungsresistent.
So ist es nicht verwunderlich, dass Gespräche zwischen erwachsenen Kindern und ihren betagten Eltern oft schwierig sind. Das kann auch an den Kindern liegen. Entweder kommen sie aus der Kinderrolle nicht heraus, machen höchstens Andeutungen und meiden jedes ernsthafte Gespräch. Oder sie behandeln ihre Eltern wie Kleinkinder.
Beides ist nicht zielführend. Auch wenn es unterschwellige Konflikte gibt, sollte ein Gespräch auf Augenhöhe und in Ruhe geführt werden. Wie dies gelingt, erfahren Sie im folgenden Kapitel.
Tipps: Wie Angehörige auf ein starrsinniges Verhalten reagieren
Viele Situationen können zwischen Kindern oder Eltern zu dem oben beschriebenen Verhalten führen. Was also tun, damit sich ältere Menschen nicht bedrängt fühlen, ein Dialog entsteht oder aufrechterhalten werden kann?
Schlussendlich müssen beide Seiten Schritt für Schritt lernen, mit der neuen Art ihrer Beziehung umzugehen. Denn im Alter sind aggressive oder ablehnende Verhaltensweisen nicht ungewöhnlich. Es gibt allerdings hilfreiche Herangehensweisen, wenn Kinder bei ihren Eltern das Gefühl haben, gegen eine Wand zu reden. Sieben Tipps für den Umgang mit Menschen, die im Alter “schwierig” werden:
1. Perspektivenwechsel: Es hilft, sich in den älteren Menschen hineinzuversetzen und sich zu fragen: Warum reagieren meine Eltern so ablehnend? Welche Bedürfnisse und Ängste stecken hinter dem Verhalten?
2. Kommunikation auf Augenhöhe: Verständlicherweise reagieren viele Menschen ablehnend, wenn man sie von oben herab behandelt oder ihnen ihre Defizite aufzeigt. Vielmehr sollte man seine eigenen Sorgen ausdrücken und in Ich-Botschaften sprechen. Ein Beispiel: “Du bist mir wichtig. Ich habe Angst, dass du stürzt und ohne Notrufuhr nicht nach Hilfe rufen kannst.”
3. Hilfe anbieten, ohne zu bevormunden: Wird eine Unterstützung aufgedrängt, kann das zu Widerstand führen. Besser kann ein Angebot sein – etwa so: “Wenn du meinen Rat möchtest, gib mir einfach Bescheid.”
4. Gemeinsam Kompromisse finden: Oft hilft es, gemeinsam eine Lösung zu finden, die verschiedene Bedürfnisse berücksichtigt. Etwa, dass der Vater seinen Führerausweis abgibt, aber dafür von seinen Kindern regelmässig zum Einkaufen oder zu seinen Freizeitaktivitäten gefahren wird.
5. Entspannte Atmosphäre: Führen Sie das Gespräch in entspannter Umgebung, in der sich alle wohlfühlen, und nehmen Sie sich ausreichend Zeit. Achten Sie dabei auch auf sich selbst und bleiben Sie ruhig und entspannt. Wenn Sie wütend werden, gehen Sie lieber mal kurz raus und atmen durch.
6. Dritte einbinden: Manchmal wirkt es Wunder, wenn Freunde, Nachbarn, Verwandte oder Fachpersonen beim Gespräch dabei sind oder mit dem Betroffenen sprechen. Dritte sind neutral und können vermitteln.
7. Hilfe für sich suchen: Der Austausch mit Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind, kann hilfreich sein. Dies kann in Selbsthilfegruppen oder Internetforen passieren. Auch gibt es viele Organisationen, die Angehörige in ihrer Pflege entlasten.
Beispiele für Altersstarrsinn: Wie Sie konkrete Situationen meistern
Autofahren im Alter
Wenn Menschen im hohen Alter Auto fahren, sorgt dies in vielen Familien für Konflikte. So bemerken Kinder, dass ihre Eltern nicht mehr aufmerksam genug sind und andere Verkehrsteilnehmer gefährden. Sie fühlen sich zum Handeln gezwungen und möchten, dass die Eltern den Führerausweis abgeben.
Doch wer verzichtet schon gerne auf dieses Stück Freiheit? Insbesondere, wenn man das Auto sein Leben lang genutzt hat, bedeutet dies einen grosser Einschnitt. Für die Mobilität der Eltern sollten Kinder eine gute Alternative bereit haben. Sie sollten wissen, welche wichtigen Strecken mit dem Auto zurückgelegt werden. Sind es die Freizeitaktivitäten oder sind es auch Fahrten zum Einkaufen? Vielleicht könnten Kinder ihren Eltern anbieten, sie in Zukunft zu diesen Zielen zu fahren oder ihnen die Wege mit dem öffentlichen Verkehr aufzeigen. Sie müssen allerdings berücksichtigen, dass man in einigen Regionen in der Schweiz auf das Auto angewiesen ist.
Auch hier muss man als Kind sehr einfühlsam, aber genauso konsequent die Entscheidung des Elternteils dahingehend beeinflussen, dass er sich seiner Grenzen bewusst wird und den Führerausweis abgibt. Auch wenn das einen grossen Einschnitt in die Selbstständigkeit bedeutet. Daher kann es nicht nur darum gehen, den Führerausweis abzugeben, sondern gleichzeitig muss die Frage geklärt werden, wie die Lebenssituation der Eltern ohne eigenes Auto bestmöglich erhalten werden kann.
Die barrierefreie Wohnung
Im Alter können Teppiche zu Stolperfallen werden, und die Rutschgefahr im Badezimmer erhöht das Sturzrisiko. Verständlich, dass Kinder ihren Eltern die Vorteile einer barrierefreien Wohnung aufzeigen möchten. Doch häufig sind sie mit solchen oder ähnlichen Reaktionen konfrontiert: “Der Teppich im Flur soll bleiben, da er meine Wohnung gemütlich macht.” Oder, wenn es etwa darum geht, das Badezimmer umzubauen, heisst es: “Im Bad bin ich noch nie ausgerutscht. Und weisst du, was ein solcher Umbau kostet?”
Trotz dieser anfänglichen Ablehnung sollten Kinder nicht einfach so aufgeben, sondern ihre Angehörigen versuchen, Schritt für Schritt zu überzeugen. Allerdings müssen sie dabei behutsam vorgehen und sich auch in die Lage der Eltern versetzen. Es ist ein gravierender Einschnitt in ihr eigenes Heim und niemand lässt sich gerne vorschreiben, wie die Wohnung auszusehen hat.
So könnten die Kinder etwa zuerst erzählen, dass sie selbst gerne eine barrierefreie Wohnung hätten. Etwa, dass eine stufenlose Dusche leicht zu reinigen ist. Auch sollten sie die Finanzierungswege aufzeigen – in der Schweiz zahlt die Krankenkasse für viele Hilfsmittel in der Wohnung und manchmal bieten auch private Stiftungen oder kantonale Programme finanzielle Hilfe bei Umbauarbeiten. Personen, die Ergänzungsleistungen erhalten, werden eventuell auch von der AHV unterstützt.
Kinder sollten auch aufzeigen, dass eine barrierefreie Wohnung dazu beiträgt, im Alter möglichst lange zu Hause zu leben. Wichtig ist, bei dem Gespräch auf Augenhöhe zu diskutieren und sich allenfalls eine Person dazu zu holen, die sich mit diesem Thema auskennt. Oft lassen sich die Eltern auch von einer Fachperson überzeugen.
Das neue Haustier
Schon bei Kleinigkeiten, wie der Anschaffung eines Haustieres, kann es zu unterschiedlichen Vorstellungen zwischen Eltern und Kindern kommen. „Am liebsten hätte ich einen Hund, der mich auf Trab hält“, erzählt etwa die Mutter und dabei sieht sie sich mit ihrem treuen Begleiter fröhlich durch den Wald laufen. Die Kinder dagegen haben Angst, dass sie dabei stolpert und hilflos am Boden liegt.
„Das ist viel zu anstrengend für dich“, sagen sie dann. Doch das ist natürlich die falsche Antwort. Kinder sollten sich erst mal darüber freuen, dass die Eltern noch aktive Pläne haben. Trotzdem sollten sie ihre Sorgen zum richtigen Zeitpunkt mitteilen. Denn die Lösungen sind meistens unkompliziert. Oft reicht schon eine Notrufuhr oder ein Notrufknopf aus. Solche Geräte sind unauffällig am Schlüsselbund, um den Hals oder am Handgelenk tragbar. Das gibt den Kindern ein gutes Gefühl, dass die Eltern im Notfall nach Hilfe rufen können.
Trotzdem sollten ältere Menschen auch für das Haustier sorgen können. Wenn etwa Kinder sehen, dass die Eltern nicht mehr gut zu Fuss sind, sollten sie eher von einem Hund abraten. Vielleicht ist auch eine Katze eine treue Begleiterin. Auch leben viele Haustiere 15 bis 20 Jahre. Da sollten sich insbesondere ältere Besitzer darüber Gedanken machen, was passiert, wenn sie pflegebedürftig werden oder sterben. Eine Alternative wäre auch, ein Haustier aus dem Tierheim zu holen. Der Vorteil ist, dass diese oft schon etwas ruhiger als Jungtiere sind und man den Vierbeiner charakterlich besser einschätzen kann.
Hilfsmittel, die den Alltag erleichtern und für mehr Sicherheit sorgen
Häufig sehen Kinder, dass Hilfsmittel den Alltag ihrer Eltern erleichtern würden. Etwa, wenn sie wackelig auf den Beinen sind, vermindert ein Rollator die Sturzgefahr. Für Sicherheit sorgen auch Notrufuhren und Notrufknöpfe. Mit diesen Geräten können ältere Menschen im Ernstfall mit nur einem Knopfdruck nach Hilfe rufen. Die Angehörigen werden dadurch ruhiger, denn ohne solche Alltagshelfer haben sie häufig Angst, betagte Menschen alleine zu lassen.
Doch wenn es um die Anschaffung geht, erfahren Kinder oft Widerstand von ihren Eltern. “Wahrscheinlich haben diese Angst, von ihren eigenen Kindern als alt und hilfsbedürftig angesehen zu werden”, sagt die Limmex-Kundenberaterin Gülen Kul-Kül. Deshalb ist ein behutsames Vorgehen angebracht.
Häufig ist es hilfreich, wenn Senioren ein Hilfsmittel unverbindlich ausprobieren können. So empfiehlt Kundenberatin Kul-Kül, Notrufgeräte in einer Limmex-Verkaufsstelle zu testen: “Oft sind sie überrascht, dass eine Notrufuhr wie eine ganz normale Uhr aussieht und ein Notrufknopf angenehm zu tragen ist.” Um familiäre Konflikte zu vermeiden, sucht Kul-Kül manchmal den Kontakt mit den Senioren und fragt, wo der Schuh drückt: “Oft nehmen diese den Rat von Aussenstehenden besser an.”